Achtsame Corona-Supportpost - Teil 2: Verankerungsübungen - Fußsohlen spüren

 

Eine Übung, die mir im Moment (und überhaupt in turbulenten Phasen) immer wieder dabei hilft, gut bei mir zu bleiben, mich aus sorgenvollen Gedankenkreisläufen zu lösen, mich zu erden und mich stabiler und sicherer zu fühlen, ist die Fußsohlenübung. Sozusagen meine persönliche emotionale und mentale 1. Hilfe-Übung, wenn ich merke dass ich dabei bin, mich in sorgenvollem Denken, Schmerzen oder in einer schwierigen Stimmung zu verlieren…

 

Sie bietet sich besonders als informelle Praxis (also zwischendurch im Alltag) an: supereinfach, kann in jeder Körperhaltung gemacht werden, egal ob man gerade sitzt, steht oder geht, egal ob man Schuhe trägt oder nicht, egal wo man sich gerade befindet, egal wieviel Zeit man gerade hat. Unsere Füße haben wir ja ohnehin immer dabei – wie praktisch! :)

 

Dabei richte ich z.B. im Stehen oder Sitzen meine Aufmerksamkeit auf die Füße und besonders auf die Sohlen und spüre die Körperempfindungen, die gerade wahrnehmbar sind. Wie ist die Gewichtsverteilung zwischen links und rechts? In welchen Bereichen ruht mehr Gewicht, wo weniger? Gibt es auch Zonen, die vielleicht gerade gar nicht in Berührung mit dem Untergrund/den Schuhen sind? Was spüre ich noch (z.B. Temperaturempfindungen, Weichheit, Festigkeit, Trockenheit, Feuchtigkeit, Kribbeln, Pochen oder irgendwelche anderen Körperempfindungen)?

 

Dabei darf ich alles so sein lassen, wie es ist, muss nichts verbessern, verändern oder „reparieren“, nehme einfach nur wahr: wie ist es jetzt? Und zwar mit meinem spürenden, fühlenden Gewahrsein, also weniger darüber nachdenkend - obwohl auch das Denken früher oder später in den Vordergrund treten wird, denn unser Geist ist nunmal hochaktiv und analysiert, ordnet ein, bewertet, vergleicht, springt von einem Gedanken zum nächsten wie ein Affe (deshalb wird das manchmal auch „monkey mind“ genannt).

Wenn wir das bemerken, lautet die Einladung, uns nicht dafür zu kritisieren, dass der Geist abgelenkt wird, sondern mit möglichst viel Freundlichkeit, Sanftheit und auch einer gewissen Entschlossenheit die Aufmerksamkeit wieder zum bloßen Spüren zurückzubringen. (Das gilt ganz generell für den Umgang mit dem Denken in den Achtsamkeitsübungen – vielleicht schreib ich dazu mal ein eigenes Posting...)

 

Ich spiele besonders im Stehen auch gerne mit kleinen Gewichtsverlagerungen und lasse das Körpergewicht mal mehr nach rechts, mal mehr nach links wandern oder den Oberkörper kreisen und halte den Fokus meines Gewahrseins in den Sohlen, spüre die sich verändernden Empfindungen – manchmal fühlt sich das sogar an, wie eine kleine Fußmassage, die ich mir selbst schenke und hat durchaus einen lustvollen Aspekt. :)

 

Es ist so einfach, wie es klingt, und manchmal taucht bei Kursteilnehmer*innen dann auch die Frage auf, ob das nicht vielleicht ZU einfach ist, und was das denn bringen soll (besonders, wenn man das nur ganz kurz macht).

Falls es euch auch so geht, ist es wichtig zu wissen: jede Übung, und sei sie noch so kurz, hat einen Effekt und viele kleine Übungen summieren sich irgendwann. Jeder Ausstieg aus dem Vermeidungs- oder Bedrohungssystem (siehe gestriges Posting), und seien es nur 15 Sekunden,  ermöglicht es unserem Organismus, ein wenig zur Ruhe zu kommen und ist daher hilfreich. Natürlich macht es Sinn, sich manchmal tatsächlich Zeit dafür zu nehmen: wenn ich mich 3-5 Minuten lang (oder länger) auf meine Fußsohlen konzentriere und in sie hineinspüre, hab ich klarer Weise einen anderen Effekt, als nach 15-20 Sekunden.

 

Dennoch sollten wir eben auch die Summe der kleinen Momente nicht unterschätzen, und so bin ich mir jedes Mal dankbar, wenn ich mir auch nur für ganz kurze Zeit die Chance gebe, mich zu verankern, zu erden und mit mir selbst auf diese Weise in Kontakt zu sein

(z.B. beim Warten in der Kassenschlange beim Einkaufen, wenn ich mich am Schreibtisch niederlasse oder am offenen Fenster stehe und einen tiefen Atemzug klarer Morgenluft genieße).

 

Und natürlich funktioniert das auch im Gehen – das heb ich mir aber fürs nächste Posting auf und beschreibe euch dann meine Erfahrungen mit der Gehmeditation, die ebenfalls als informelle Praxis geübt werden kann, aber auch als formelle Achtsamkeitsübung im Lauf der Jahre ungeheuer wertvoll für mich geworden ist.

 

Vielleicht mögt ihr ja die Fußsohlenübung einfach mal auf eure eigene Weise ausprobieren und das als spielerisches Experiment betrachten, bei dem man nichts falsch machen kann…

 

 

Ich wünsch euch jedenfalls viele Momente von Verankerung, interessanten Erfahrungen (man glaubt gar nicht, was man beim Erforschen der Fußsohlen alles entdecken kann!) und einen schönen Freitag!